Androgynos (griechische Mythologie)
Der Mannweibliche
Erklärung für diese Überlieferung? Schwierig bis unmöglich...
Androgynos (altgriechisch ἀνδρόγυνος andrógynos = deutsch -> "der Mannweibliche", Plural andrógynoi) sind in der griechischen Mythologie Menschen, die Mann und Weib gleichzeitig sind (nach Platon gibt es auch die Varianten Mann und Mann bzw. Weib und Weib gleichzeitig).
Es ist sehr schwer (vielleicht sogar unmöglich), die Bedeutung der literarischen Überlieferung von den Androgynos Menschen zu kapieren. Gebildet wird das Wort Androgynos aus altgiechisch ἀνήρ anḗr, Genitiv ἀνδρός andrós = Mann und γυνή gynḗ = Frau (γυνή gynḗ, siehe auch Gynäkologie).
Ursprung
Erwähnt werden Herodots Historien. Dort bedeutet das Wort Androgynos "weibische / verweiblichte Männer." Diese Androgynos Wesen waren gemäß Herodot Wahrsager der
Skythen >>. Die Skythen werden als Reiternomadenvölker überliefert. Nach Platon hat das Wort Androgynos eine andere Bedeutung. Dazu später mehr, weil es diesbezüglich Widersprüche gibt.
Talmud
Im Talmud wird das Wort Zwitter thematisiert. Der Talmud ist eines der bedeutsamsten hebräischen Schriftstücke. Im Talmud gibt es einen kurzen Abschnitt (Pereq) über Androgynos bzw. der Abschnitt heißt konkret Androgynos. In diesem Abschnitt werden drei Fragen gestellt:
1: In welcher Hinsicht gleichen Zwitter Männern
oder Frauen?
2: In welcher Hinsicht gleichen Zwitter Männern
und Frauen?
3: In welcher Hinsicht gleichen Zwitter
weder Männern
noch Frauen?
Wer jetzt etwas stutzig wird: Im Rahmen der Gender-Thematik sind diese Fragen
HEUTE brandaktuell.
Agdistis und Hermaphroditos
Die griechische Mythologie kennt neben Androgynos weitere Zwitterwesen:
Agdistis >>Hermaphroditos >>Ein weiteres Zwitterwesen ist unter dem Namen
Baphomet >> bekannt.
Kugelmenschen
Es gibt ein literarisches Werk als Dialog mit dem Namen Symposion (Das Gastmahl). Dieses Werk wird Platon zugeordnet. In diesem Werk erscheinen Androgynos als Kugelmenschen. Im Werk Symposion lässt Platon diese Kugelmenschen erzählen (Dialog). Der Kerngedanke von Androgynos Menschen kommt auch in außereuropäischen Mythen vor. Der Platon Mythos erzählt, dass die Menschen ursprünglich kugelförmige Rümpfe hatten. Darüber hinaus hatten diese Kugelmenschen vier Hände, vier Füße und zwei Gesichter auf einem Kopf. Die Kugelmenschen sollen übermütig geworden sein und wollten den Himmel stürmen.
Zeus >> strafte diese
Hybris >> und teilte die Kugelmenschen in zwei Hälften - nämlich in Mann und Weib (nach Platon müsste diese Teilung auch Mann und Mann und Weib und Weib erzeugt haben, dazu später mehr im Zitat). Dabei handelt es sich um die heutigen Menschen, die an ihrer Unvollständigkeit leiden.
Die Strafe besteht darin, dass jeder auf der Suche nach seiner verlorenen Hälfte ist. Die Sehnsucht nach der einstigen Ganzheit zeigt sich an der sexuellen Paarung mit dem Bestreben, wieder EINS zu werden. Es heißt weiterhin, dass es unterschiedliche Kugelmenschen gab. Ich zitiere aus
Wikipedia:
"Manche Kugelmenschen waren rein männlich, andere rein weiblich, wiederum andere – die androgynoi – hatten eine männliche und eine weibliche Hälfte. Die rein männlichen stammten ursprünglich von der Sonne ab, die rein weiblichen von der Erde, die androgynen vom Mond. Mit dieser unterschiedlichen Beschaffenheit der Kugelmenschen erklärt Platons Aristophanes die Unterschiede in der sexuellen Orientierung. Nur die aus androgynoi entstandenen Menschen sind heterosexuell veranlagt."
Kurze Anmerkung: Dieser "Aristophanes" erscheint in diesem Mythos selber homosexuell, der heterosexuellen Menschen gehörige Beleidigungen an den Kopf schmeißt.
Welcher Typ Kugelmensch wäre nach diesem Mythos übermütig geworden und von Zeus bestraft? Der Typ MannWeib Androgynos vom Mond? Genau betrachtet, sind alle Kugelmenschen geteilt worden. Da waren sich wohl die Mann/Mann, Weib/Weib und Mann/Weib Kugelmenschen irgendwie einig in ihrem Bestreben, den Himmel zu stürmen.
Hebräische Auslegung
Es gibt eine hebräische Auslegung - und die lässt die Hypothese zu, dass die erste Menschheit androgyn war. Die Schöpfungsgeschichte gemäß 1. Mose, 27 lässt sich so auslegen, dass der Mensch als Mann
und Weib (Androgynos) erschaffen wurde:
..."und schuf sie als Mann
und Frau......"
Manche Leute interpretieren diese Schöpfungsgeschichte so, dass Adam vor seiner Aufspaltung (Entnahme einer Rippe und Erschaffung der Eva [2. Schöpfungsgeschichte]) sowohl eine männliche als auch eine weibliche Natur hatte. Diese Interpretation nimmt Bezug auf die Kugelmenschen nach Platon. Die meisten Juden / Christen / Muslime beschweren sich vehement über diese Interpretation der Schöpfungsgeschichte.
Auch wenn sich nahezu alle gegen diese Interpretation mit Händen und Füßen wehren: Jeder weiß, dass diese Welt kein Wunschkonzert ist.
Mythos Lilith
Der Mythos, dass Lilith die erste Frau von Adam war, hält sich sehr hartnäckig: Taucht in der Bibel bei "...und schuf sie als Mann
und Frau..." der Name Lilith auf? Nein, natürlich nicht! Die Gestalt Lilith taucht im AT der Bibel zwar tatsächlich auf, aber erst sehr sehr sehr viel später. Der Mythos der Lilith als erste Frau Adams ist falsch und wurde einst in die Welt gesetzt, aus welchen Gründen auch immer.
Fazit
Es ließe sich zum Thema Androgynos Menschen Mythos ohne Ende mehr schreiben bzw. man könnte auch viel selber darüber spekulieren. Im Kern geht es um die Frage nach der menschlichen Vollkommenheit.
Quellen und Literatur
Herodot, Historien >> 4,67
Platon >>, Symposion 189d–193d
Mário Jorge de Carvalho: Die Aristophanesrede in Platons Symposium. Die Verfassung des Selbst. Königshausen & Neumann, Würzburg 2009, ISBN 978-3-8260-3782-5
Achim Aurnhammer: Androgynie. Studien zu einem Motiv in der europäischen Literatur (= Literatur und Leben, Neue Folge, Band 30). Böhlau, Köln/Wien 1986, ISBN 3-412-01286-6
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